futureTEX-GESICHTER: Auf dem Weg zur intelligenten Anlage für die Verarbeitung rezyklierter Hochleistungsfasern zu Organoblechen
Das Sächsische Textilforschungsinstitut e.V. ist eine gemeinnützige Forschungseinrichtung im Freistaat Sachsen, die sich den langjährigen Traditionen sächsischer Textilforschung verpflichtet fühlt. In der verfahrens- bzw. erzeugnisbezogenen Forschungs- und Entwicklungsarbeit widerspiegeln sich sowohl klassische Textiltechnologien als auch innovative, unkonventionelle Lösungen für viele Anwendungsgebiete wie z. B. Bautextilien, Medizintextilien, Leichtbau, Automobilbau, Smart Textiles und Industrie 4.0.
Die Arbeit des Instituts konzentriert sich in erster Linie auf die Themenfelder „Technische Textilien“ und „Vliesstoffe“. Ein angeschlossenes Transferzentrum unterstützt die Kommunikation, die Bereitstellung von Informationen sowie die Koordinierung der nationalen und internationalen Zusammenarbeit. Das Institut verfügt durch eine starke Industrieanbindung und die Mitarbeit in über 50 Gremien und Verbänden über ein leistungsfähiges Netzwerk.
Sten Döhler, Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Intelligente Produktionssysteme, Modellierung und Prozessmanagement arbeitet seit 2014 an den Schwerpunkten Produktionsplanung und -steuerung sowie Materialflusssimulation. In futureTEX koordiniert er aktuell das Umsetzungsvorhaben SelVliesPro.
Drei Fragen an Sten Döhler, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Sächsischen Textilforschungsinstitut e.V. (STFI)
Welches Vorhaben koordinieren Sie und was ist für Sie im Vorhaben besonders spannend/eine besondere Herausforderung?
Ich bin Koordinator für das Vorhaben SelVliesPro, bei dem wir uns gemeinsam mit der TU Braunschweig, der Safety IO und der Hochschule Hof der Weiterentwicklung einer Fertigungslinie zur Verarbeitung von rezyklierten Hochleistungsfasern widmen. Im Fokus steht dabei das Thema Digitalisierung.
Die betrachtete Anlagentechnik ist Teil des Zentrums für Textilen Leichtbau am STFI. Im Rahmen des Vorhabens wurde die Anlage durch neue Aggregate erweitert, um Lücken im Recyclingprozess zu schließen. Zusätzlich war es notwendig, die Datentransparenz im Prozess zu erhöhen und damit die Grundlage für Digitalisierungslösungen zu legen. Zu diesem Zweck wurden u. a. OPC UA-Schnittstellen nachgerüstet. Dabei waren wir auf eine intensive Zusammenarbeit mit den Anlagenherstellern angewiesen. Auch seitens der Sensorik musste aufgerüstet werden. Durch spezielle Systeme können jetzt zusätzliche Daten zur Überwachung von Anlagenparametern sowie zur Beurteilung der Produktqualität erfasst werden. Dies hilft uns enorm bei der Versuchsdurchführung und Auftragsbearbeitung. Nachdem wir die Hürde der Datenverfügbarkeit genommen hatten, können wir uns nun der Analyse der Daten widmen. Aktuell stehen wir vor der Herausforderung, umfangreiche Versuche durchzuführen und die Daten zu interpretieren. Dabei arbeiten wir intensiv mit den Bedienern der Anlagen zusammen, denn sie kennen die Anlage bis ins Detail und können uns „Datengetriebenen“ viele wertvolle Informationen geben.
Welche Ziele werden im Vorhaben verfolgt?
Als SelVliesPro-Konsortium verfolgen wir das Ziel, eine intelligente Anlage als Prototyp zur Verarbeitung rezyklierter Hochleistungsfasern zu Organoblechen zu entwickeln. Dabei bearbeiten wir verschiedene Handlungsfelder. Zum einen untersuchen wir neue Lösungen, um die Interaktion zwischen Mensch und Maschine zu erleichtern. Dabei kommen Technologien wie Datenbrillen und Smart Watches zum Einsatz. Für die Informationen, die damit visualisiert werden, benötigen wir natürlich entsprechende Daten aus dem Prozess. Daher ist ein weiteres Handlungsfeld die Datenaufnahme und -analyse, um Korrelationen zu erkennen und dem Bediener eine Entscheidungsunterstützung an die Hand zu geben. Aber nicht nur das Produkt, sondern auch die Maschine wird dabei betrachtet. So werden Lösungen erarbeitet, die die Umsetzung einer vorausschauenden Instandhaltungsstrategie ermöglichen. Die betrachteten technologischen Handlungsfelder werden dann noch durch die Entwicklung eines Lehr- und Schulungskonzepts ergänzt, welches dafür sorgen soll, dass die komplexen Themen auch in die Industrie finden.
Wie koordinieren Sie das Vorhaben? Können Sie einen Tipp für die Kommunikation geben?
Im laufenden Projektjahr 2020 waren wir vor allem auf die Online-Kommunikation angewiesen. Dazu sind mittlerweile vielfältige Tools verfügbar und sehr hilfreich, um das „Wir“-Gefühl im Konsortium aufrecht zu halten. Durch regelmäßige Meetings können der Austausch und die Bearbeitung der Aufgaben sichergestellt werden. Und wenn dann noch die Kamera im Webmeeting aktiviert wird, vergisst man auch nicht, wie die Mitstreiter aussehen.
Welche Ansätze gibt es zur Überführung der Ergebnisse in die Wirtschaft? Was wünschen Sie sich nach Beendigung des Vorhabens?
Im Vorhaben SelVliesPro werden mehrere Demonstratoren entstehen, die als Teil des Forschungs- und Versuchsfeldes am STFI erlebbar sind. Wir zeigen an sehr praxisnahen Beispielen auf, wie Digitalisierungslösungen in der Produktion umgesetzt werden können. Dabei greifen wir auf die vorhandenen Strukturen zurück. Wir werden z. B. bestehende Veranstaltungsformate nutzen, um unsere Ergebnisse interessierten Unternehmen vorzustellen. Auch im Rahmen des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums Textil vernetzt werden wir die Ergebnisse in den Transfer bringen.
Als wichtige Transfermaßnahme nutzen wir auch die im Rahmen des Vorhabens SelVliesPro geschaffenen Strukturen, z. B. das Lehr- und Schulungskonzept. Dieses Format wurde mit dem Fokus entwickelt, die komplexen Themen der Digitalisierung für die Industrie greifbar zu machen und Interessenten für die Umsetzung zu qualifizieren. Die Evaluation des Konzepts mit Unternehmensvertretern hat bereits stattgefunden und das Feedback wird aktuell eingearbeitet. Im Ergebnis wird ein Lehr- und Schulungskonzept entstehen, welches auf die Anforderungen der Textilindustrie zugeschnitten ist.
Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, dass die Branche mehr und mehr Digitalisierungslösungen eigenständig umsetzen kann. Die Textilunternehmen sollen die Potentiale der verschiedenen Anwendungen nutzen, um ihre Prozesse zu optimieren und effizienter zu gestalten. Ich wünsche mir, dass wir mit unserer Arbeit langfristig zu einer Stärkung der Branche beitragen können.